Wer ist ein Held?

Wisst Ihr mehr über Mythologie, Philosophie, Religionen, Symbole, Mystik, Joseph Campbell etc., als Ihr in englischer Sprache ausdrücken könnt? Oder interessieren euch Themen, die speziell für den deutschen Sprachraum relevant sind? Für Beides ist das deutschsprachige Diskussionsforum der richtige Ort!

Moderator: Martin_Weyers

B.E.P.
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kleiner Nachtrag

Post by B.E.P. »

nicht zufällig ist in der vorherrschenden männlichen Literatur zu dieser Frage in diesen Tagen von "Abenteuer Familie" die Rede und von "Die Helden der Familie".
Demografie scheint auf einmal im Moment noch eines der wichtigsten politischen Themen zu sein. Leider sind beide klassischen Modelle zur Überwindung der Not keine ultimativen Konzepte. Nicht die Krippensozialisation, noch die "Hausmütterchenerziehung" wie bisher, ohne deren Aufwertung und finanzielle Anerkennung ihrer Leistung für die Gesellschaft.
Was wird uns von jenen, welche die Schlüsselpositionen in den Medien besetzten, an vermeintlich erstrebenswerten Mustern geliefert? Beispiel Kachelmann: Eine MDR-Redakteurin, 45, selbst krippensozialisisert und ihr Mann, 60, bekommen geplant noch Zwillinge. Nach ihrem Kaiserschnitt wird sie für ein Vierteljahr bei den Säuglingen bleiben, um dann wieder im Sender zu verschwinden und dem alten Vater die Betreuung überlassen. Spätes Glück oder Skandal?? Die Anwesenden feiern einen solchen Lebensentwurf!
Ich vermute, die Anwesenden haben auch noch nie etwas von >Affidamento gehört.

"Macht den Frauen"!
Zwei Frauen mit einem neuen Verständnis von Beziehungsfähigkeit und Macht sind m.M. nach die chilenische Präsidentin und die französische Präsidentenschaftskandidatin. Beide können gut zuhören, auf das hören, was die Bevölkerung wünscht. Und sie werden versuchen, danach zu handeln. Ganz anders praktizieren es unsere Politikerinnen: die Kanzlerin und ihre Familienministerin.

Zurück zur Frage: Wer ist ein Held? Es sind schon die, die heutzutage in "fremde Räume" vordringen mit unpopulären Ideen und einer festen Meinung und den Mainstream des EU-Fashismus damit konfrontieren.

B.E.P.

B.E.P.
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Post by B.E.P. »

ok...das war ein kleines Experiment und ein Exkurs in die derzeitige Familienpolitik. In ihren Niederschlag unserer "Erkenntnis", unserer "Kultur"...dem Extrakt aus Religion und Politik. Vielleicht können nicht alle den Bogen schlagen. Den demografischen Bogen von einem Pol zum anderen. Von hinten nach vorn. Von oben nach unten. Von hospitalisierenden "Frühchen" , die vereinsamt Schaukelbewegungen ausführen und den Kopf auf den Boden bumpern bis zu den "Legebatterien" in Windeln gepackter Alter, meist Frauen. Vielleicht besser bekannt als Sterbefabriken. Und alles, weil wir nicht mehr in FamilienSIPPEN leben.

Es beginnt also ein neues Zeitalter: nämlich ein solches, in welchem Menschen schon von Geburt VERZWECKT werden. In Japan, Korea..überhaupt Asien hat das schon schlimmere Folgen: dort werden die Embryonen bereits vorgeburtlich trainiert und gefördert und auf eine Leistungs-und Konsumgesellschaft "zugerichtet". Wie lange noch nur mechanisch? Oder doch schon genetisch?

Fulbert Steffensky schreibt:

"Zur Lebensgewissheit gehört das Gefühl von Kontinuität und Dauerhaftigkeit. Sie kann nur erfahren werden, wo mindestens drei Generationen sichtbar sind. Menschen werden von ängstlicher Zufälligkeit geschüttelt, wo sie nur sich selber und die eigene Zeit erleben, höchstens noch die der nächsten Generation. Das wohl macht die Geborgenheit aus, die Kinder bei ihren Großeltern erleben. Alte Leute bauen Brücken über die Zeiten. Sie tun es mit ihrer puren Existenz.

Es gibt andere Gründe für die nötige Sichtbarkeit des Alters. Die Szene wäre illusionär, wenn auf ihr nur Junge, Starke und Gesunde sichtbar wären. Das Gefühl für die Endlichkeit des Lebens entsteht erst, wo wir endliches Leben wahrnehmen. Wo Menschen dahinwelken und sterben. Mit jedem Blick, den ich auf alte Leute werfe, lerne ich den Satz: Mensch, du musst sterben! Ich lerne ihn nicht in Panik, sondern in alltäglicher Gelassenheit.

Das ist das Problem unserer Großstädte, in denen das Alter und der Tod in unsichtbare Winkel verbannt sind. Sie geben das illusionäre Gefühl, das Normale sei nur das Leben in seiner Stärke. Aber zur Normalität gehören Leben und Tod, Blühen und Vergehen.

Alte Menschen sind immer weniger zu etwas tauglich und verwendbar. Wenn sie nicht zu alt sind, können sie noch auf die Kinder aufpassen oder Kartoffeln schälen. Aber weniger und weniger können sie sich durch sich selbst rechtfertigen. Immer weniger können sie sich durch ihre Arbeit, durch ihre Intelligenz und ihren Witz rechtfertigen. Sie sind, weil sie sind. Sie sind nicht, weil sie etwas leisten.

Kinder sind zunächst ebenfalls nicht durch ihre Funktion für die Gesellschaft gerechtfertigt. Sie sind immerhin eine "Investition für die Zukunft", wie Zyniker sagen. Aber da gibt es Menschen, deren Existenz sich nicht durch ihren Leistungs- und Ertragswert ausweisen lässt: Behinderte, dauerhaft Erkrankte, Alte. Sie lehren uns, dass der Mensch nicht für Zwecke da ist. Wenn wir sie dulden und sichtbar sein lassen, lehren sie uns, was Gnade ist - dass der Mensch ungerechtfertigt da sein darf; nicht gerechtfertigt durch die Größe seiner Taten, seiner Stärken; nicht ausgewiesen durch seine Verwendbarkeit."

Abgesehen davon, dass Länder wie Schweden jetzt ihre Fehlbarkeit bezüglich Kollektivsozialisation zugeben, werden bei uns die volkswirtschaftlichen Folgen einer derartig manipulierten Gesellschaft nicht überschaut und nicht angeschaut.

Lesen Sie dazu den Artikel: Ursula von der Leyen: verkannte Heldin der Familienpolitik?

http://www.familie-ist-zukunft.de/vdl_20_02_07.htm

Aber ich möchte hier meinerseits nicht den Bogen überspannen und schlage deshalb vor, meine letzten Beiträge nach ein paar Tagen wieder zu löschen, weil es doch erheblich die Kapazität sprengt.

Ich verabschiede mich damit auch wieder aus diesem Forum.
BEP

Gerard
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Post by Gerard »

Ein ganz wichtiges Thema, das mich auch schon laenger beschaeftigt. Vielleicht darf ich auch ein paar Saetze dazu sagen.

Wer is ein Held? Ich habe auch die Idee, das Amerikaner das Wort gern und oft verwenden. Fuer mich als Europäer eigentlich allzu oft und zu leicht. Ich glaube, man muss sich da hueten, dass das Wort nicht allzu inflationär verwendet wird. Ich meine folgendes : Als am ‘9-11’ die Twin Towers vernichtet wurden, waren die Feuerwehrleute von New York in den Augen aller Amerikaner ‘Helden’. Als in Amsterdam Theo van Gogh ermordet wurde, gab es eine gewisse Angst, dass es einen Zusammenstoss zwischen Moslims und gewissen Nicht-Moslims geben wuerde. Job Cohen, Buergermeister von Amsterdam, bemuehte sich ,das zu verhinderden, wie es die Aufgabe jedes Buergermeisters ist. Sowie die Feuerwehrleute ihre Arbeit (sehr gut) getan haben. Mir geht es aber zu weit, solche Leute Helden zu nennen. Das sagt meiner Ansicht nach mehr von der Art und Weise, in der wir langsam dabei sind zu ‘amerikanisieren,’ als von Leuten wie Cohen und der Feuerwehr. (Wobei ich schon finde, dass die ungeheuer gute und wichtige Arbeit geleistet haben, aber das tun viele andere wie zum Beispiel die Nonnen in einem Klosterkrankenhaus auch).

Ich glaube weiter, dass bei dem amerikanischen Begriff vom Helden sehr viel Erfolg und Gewinnen mitschwingt. Man will bewundern, man braucht Idole. Es hat auch viel mit dem typischen ‘Winner or Loser’(Gewinner oder Verlierer) zu tun. Ich habe einmal einen Amerikaner sagen hoeren: ‘Stimmt schon, vielleicht machen wir den Gewinner zu schnell zum Helden, ihr Europäer aber macht eigentlich das Gegenteil: den Verlierer zum Helden machen.’ Womit er sagen wollte: ein Mensch muss nur genug leiden, und schon ist er (bei Euch) ein Held.’

Es gibt viele Leute, die ein schweres Leben mit vielen Problemen hinter sich haben oder damit umgehen lernen muessen. Ich habe auch so meine grossen Probleme gehabt (und noch). Aber ob man sich dan gleich ‘Held’ nennen darf?

Steppenwolf sagt auch: ‘Ich finde es nicht verkehrt, grossen Begriffen (auch) eine gewichtige Bedeutung zu geben.’ Ich moechte es noch ein bisschen weiter fuehren: man soll ganz vorsichtig sein mit grossen Worten, wenn mann nicht den Preis von Inflation bezahlen will, sodass ein Begriff nicht langsam immer wertloser wird.

Campbell hat viel gesagt ueber den Begriff Held. Was ich aus seinen Worten schliesse ist folgendes:
1. der Held ist ein Einzelgänger; er geht immer alleine seinen schwierigen Weg
2. noch wichtiger: der Held ‘zieht hinaus’. Er verlaesst freiwillig (!!!) seine sichere Umgebung, um das Abenteur anzugehen.
3. der Held erlebt ein Abenteuer. Das andere wichtige Wort in der Definition ist Abenteur, nicht Reise. Ein Abenteuer bedeutet, Gefahr und Risikos angehen.
4. Der Held unternimmt sein Abenteuer nie fuer eigene Zwecke. Er hat immer das Wohl einer Gemeinschaft im Auge. DEShalb muss er nach dem Ende des Abenteuers auch zurueck kehren in die Gemeinschaft: er hat etwas gelernt und davon muss er der Gemeinschaft berichten.
5. Und dann gibt es noch eine Schwierigkeit: der Held ist keineswegs gewaltlos!!! Was machen wir damit in unserer Zeit, wo ‘gewaltfrei’ fast absolut (ein Muss?) ist. Welcher Mann oder welche Frau, der/die Gewalt angewendet hat, kann heutzutage noch den Heldenstatus erwarten?

Das sind einmal nur ein paar Ideen, die in mir ohne weitere Forschung aufkommen. Mit diesen Merkmalen wird die Zahl von Leuten, die zich auch gerne Held nennen oder nennen lassen, ziemlich viel kleiner. Wie Leid es mir auch tut. Denn ich sehe natuerlich auch wie schwer manche es haben.

Eine andere Frage ist noch was den Helden unterscheidet vom Maertyrer. Ich glaube diese Begriffe soll man von einander abgrenzen.

Auf der amerikanischen site unseres Forums werden, was das angeht, noch ein paar andere schwierige Fragen gestellt: in den Augen von Millionen Moslims ist Osama Bin Laden ein Held!! Sowie Hitler es auch war damals. Also wer ist ein Held?
Sisyphus Laughs

Martin_Weyers
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Post by Martin_Weyers »

Hallo Gerard, du hast schon ganz Recht: Bei der mythologischen Heldenreise nach Joseph Campbell geht es weder darum, sich eine Art Siegertitel durch Siegen zu verdienen, noch einen Märtyrertitel durch Leiden zu erkaufen oder zu "erleiden".

Die Figur des monomythischen Helden ist grundverschieden von der des Prominenten. Ein Held kann auch unerkannt bleiben, ohne dass dies ihm irgend etwas von seiner "Größe" nehmen würde.

Es kommt ja nicht darauf an, als Held ausgezeichnet zu werden und sich feiern zu lassen, sondern, wie du sehr richtig schreibst, sich für das Abenteuer des eigenen Lebens zu entscheiden, also die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Wie Campbell sinngemäß feststellt, geben die Pädagogen den Eltern die Schuld, die Soziologen der Gesellschaft, und die Astrologen den Sternen. Bei der mythologischen Heldenreise geht es aber gar nicht um Schuld, sondern um Entwicklung. Dazu gehört, Leid als unvermeidbares Element zu akzeptieren, und einfach das zu tun, was getan werden muss, um in die Welt zu bringen, was uns gemäß ist, egal ob es nun Kinder oder Kunstwerke sind.

Eine interessante Untersuchung zum Thema der Problematik des amerikanischen "Superhelden" in Kino, Politik, Massenmedien und Popkultur findest du übrigens in dem lesenswerten Buch The Myth of the American Superhero von Lawrence & Jewett. Professor Jewett lebt übrigens in Heidelberg. Ich gebe den (sehr kritisch gesinnten) Autoren nicht in allen Punkten Recht, finde aber, dass sie anregenden Lesestoff zusammengetragen haben. Ihnen geht es vor allem um die reaktionären und antidemokratischen Agrumentations- und Handlungsmuster in zahlreichen heutigen Heldengeschichten. Dabei bekommen auch Filme wie Star Wars, die wir heldenbegeisterten doch zu Recht so mögen, ihr Fett weg ...
Works of art are indeed always products of having been in danger, of having gone to the very end in an experience, to where man can go no further. -- Rainer Maria Rilke

Gerard
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Post by Gerard »

Martin_Weyers wrote:
Es kommt ja nicht darauf an, als Held ausgezeichnet zu werden und sich feiern zu lassen, sondern, wie du sehr richtig schreibst, sich für das Abenteuer des eigenen Lebens zu entscheiden, also die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Wie Campbell sinngemäß feststellt, geben die Pädagogen den Eltern die Schuld, die Soziologen der Gesellschaft, und die Astrologen den Sternen. Bei der mythologischen Heldenreise geht es aber gar nicht um Schuld, sondern um Entwicklung. Dazu gehört, Leid als unvermeidbares Element zu akzeptieren, und einfach das zu tun, was getan werden muss, um in die Welt zu bringen, was uns gemäß ist, egal ob es nun Kinder oder Kunstwerke sind.
Eine Selbstentwicklung die damit aber nicht enden darf, dass man sich selbst entwickelt, und das war's dann. Der Held komt nach seiner Reise zurueck in die Gemeinschaft und verbreitet was er auf seiner Reise gelernt hat.

Dass mit dem Akzeptieren stimmt sosehr..... Damit hoert Streit manchmal auf......und das gibt dann (innere) Ruhe. Dann macht man in gewisser Weise einen Punkt hinter alles, und das ist DIE Bedingung um weiter zu koennen.

Eigentlich ist es sehr buddhistisch was du schreibst, nicht wahr?
Sisyphus Laughs

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