Dan Brown: „The Da Vinci Code“ - ein „Sakrileg“?

Wisst Ihr mehr über Mythologie, Philosophie, Religionen, Symbole, Mystik, Joseph Campbell etc., als Ihr in englischer Sprache ausdrücken könnt? Oder interessieren euch Themen, die speziell für den deutschen Sprachraum relevant sind? Für Beides ist das deutschsprachige Diskussionsforum der richtige Ort!

Moderator: Martin_Weyers

SiCollier
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Post by SiCollier »

Nachdem ich inzwischen im englischsprachigen Bereich ein Topic dazu gefunden habe, so die ganz leise Anfrage, ob jemand im deutschsprachigen Bereich das Buch kennt?

Ich habe es gerade durch gelesen. Abgesehen davon, daß es gut erzählt ist, spielen eine ganze Reihe mythologischer Themen hinein.

Bei der Erklärung im Buch, was der Gral ist, fiel mir immer wieder Campbell’s „Das bist Du“ und seine dortigen Erklärungen über Metaphern ein. Das paßte ziemlich gut zusammen.
Nicht zu vergessen mein Religionslehrer (in den Siebzigern): „Ich bin überzeugt,“ sagte er wörtlich, „daß Jesus verheiratet war. Es war damals undenkbar, daß ein jüdischer Mann ledig war. Niemand hätte ihn beachtet oder ernst genommen.“ Ich war damals ziemlich geschockt, drum weiß ich es noch so genau. Übrigens war mein damaliger Lehrer ... katholischer Priester.

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Post by SiCollier »

Ein Nachtrag:
in einem Buch ÜBER "Sakrileg" (Dan Burstein, Die Wahrheit über den Da-Vinci-Code) fand ich gerade folgenden Satz:

"Die Gestalt Langdons ist, wie an anderer Stelle in diesem Buch formuliert wird, eine attraktive Kreuzung aus Indiana Jones und Joseph Campbell, dem herausragenden Mythenforscher." (S.33)

Anmerkung: Langdon ist der "Held" des Buches (auch die bei Campbell zu findenden typischen Merkmale einer Heldenreise wurden auf das Buch schon angewandt).
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Solitaire
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Post by Solitaire »

Hallo,

ich habe kürzlich sowohl den "Da-Vinci-Code" als auch "Angels & Demons" gelesen. Gute Unterhaltung waren beide, obwohl ich sagen muss, dass ich die Wendungen im Da-Vinci-Code sehr vorhersehbar fand (ok, wenn man einen Faible für dieses Genre hat, kann das vielleicht passieren), auch die Rätsel waren sehr einfach zu knacken.

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Post by SiCollier »

„Angels & Demons“ kenne ich noch nicht, es wird eines meiner nächsten Bücher sein.
dass ich die Wendungen im Da-Vinci-Code sehr vorhersehbar fand (ok, wenn man einen Faible für dieses Genre hat, kann das vielleicht passieren),
Das ging mir nicht ganz so, allerdings war das der erste „Thriller“, den ich gelesen habe. Da fehlt mir noch die Erfahrung, Handlungsstränge vorauszusehen.

Ich bin inzwischen beim zweite Buch ÜBER den „Da Vinci Code“. Und da wird’s dann erst richtig interessant, wenn man Stellungnahmen und Kommentare verschiedener Autoren (Wissenschaftler wie Nichtwissenschaftler, pro wie contra) liest.
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Solitaire
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Post by Solitaire »

Hi, SiCollier,

welche beiden Bücher hast du denn darüber gelesen? Ich bin immer an neuem Lesefutter interessiert.

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Post by SiCollier »

Durch habe ich
Marc Hillefeld „Ein Code wird geknackt“ (ISBN 3-8025-3240-4)

Derzeit lese ich
Dan Burstein „Die Wahrheit über den Da-Vinci-Code“ (ISBN 3-442-15330-1)
Das interessante an diesem Buch ist, daß sowohl „Gegner“ wie „Befürworter“ zu Wort kommen, jeder der Autoren kurz vorgestellt wird, und auch eine ganze Menge Web-Adressen angegeben sind. Eines wird aus den verschiedenen Stellungnahmen jedoch deutlich: die (Kirchen-) Geschichte verlief durchaus nicht so geradlinig, wie man das heute vielfach glauben machen will.

Und ob die Bibel richtig übersetzt ist, werde ich wohl auch nie erfahren, da ich weder griechisch noch hebräisch noch aramäisch kann. Allerdings habe ich (auch bei früheren Gelegenheiten schon) den Eindruck gewonnen, daß die heutigen Bibelübersetzungen der anerkannten Theologie entsprechen - nicht umgekehrt.
Ich gebe zu, von Kunstgeschichte recht wenig Ahnung zu haben, doch habe ich den Eindruck (um es mal vorsichtig zu formulieren), daß die eben aufgestellte Behauptung auch für Interpretationen von Kunstwerken gilt.

Direkt zum Da-Vinci-Code (den deutschen Titel mag ich überhaupt nicht) stehen auf dem Leseplan noch die englischen Bücher

Richard Abanes „The Truth Behind The Da Vinci Code“ (ISBN 0-7369-1439-0)

Darrell L. Bock „Breaking the Da Vinci Code: Answers to the Questions Everybody's Asking“ (ISBN 0785260463)

Und danach will ich noch einige Bücher, die bei Dan Burstein angegeben (bzw. dort in Auszügen abgedruckt sind,) lesen. Das Thema „frühe Kirchengeschichte“ hat sich als für mich höchst interessant herausgestellt (womit ich mehr oder weniger wieder bei meinem „alten“ Thema Historizität im Christentum bin. Diesmal von einer anderen Seite her. Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden. -frei nach Michael Ende-)

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Post by Solitaire »

Ich nehme mal an, dass bestimmt der/die eine oder andere/r auch den Film "Da Vinci-Code/Sakrileg" gesehen hat, wie habt ihr denn den gefunden?

Wenn man mal von Tom Hanks als (Fehl)besetzung absieht und die Tatau etwas zu schüchtern war für die Rolle der Sophie Neveu, war der Film ganz ok für einen unterhaltsamen Abend.

Martin_Weyers
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Post by Martin_Weyers »

Habe ihn noch nicht gesehen, aber:
ganz ok für einen unterhaltsamen Abend
... klingt nicht gerade nach einem Versuch, ein Massenphänomen zu erklären! Gilt das Urteil auch für das Buch von Dan Brown?
Works of art are indeed always products of having been in danger, of having gone to the very end in an experience, to where man can go no further. -- Rainer Maria Rilke

Solitaire
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Post by Solitaire »

Brown hat emsig bei M. Starbird und Baigent, Lincoln und Lee abgekupfert, dazu noch ein Medienhype wie bei "Harry Potter" und die Dollars rollen munter.

Browns Romane haben für mich guten Unterhaltungswert, wobei der Schluss schwächelt (siehe Da Vinci Code, Angels & Demons, Digital Fortress), die Romane sind gut für längere Straba- oder Zugfahrten, ich lese sie einmal und das war's dann.


Blessings, Solitaire (creator of the Wiccan Cards, published by LoScarabeo, Turin, available at www.houseoftarot.com )<br><BR><br><BR>"The moral value of a nation can be judged by the way its animals are treated."

Martin_Weyers
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Post by Martin_Weyers »

On 2006-06-29 09:06, Solitaire wrote:
Brown hat emsig bei M. Starbird und Baigent, Lincoln und Lee abgekupfert, dazu noch ein Medienhype wie bei "Harry Potter" und die Dollars rollen munter.
Das Problem mit Dan Brown ist daher auch nicht, daß er einen spannenden (aber eben auch im Grunde belanglosen) Roman geschrieben hat, sondern daß er (und vermutlich mehr noch sein Verlag) suggeriert, dieser Roman beruhe auf Fakten, oder doch zumindest seriösen wissenschaftlichen Theorien.

Eigentlich ist es ja nichts Schlimmes, wenn jemand einen erfolgreichen Spannungsroman schreibt, und infolgedessen die Rubel rollen. Das Problem besteht hier allein in der Geschichtsverfälschung. Man bedient sich im Roman vorhandener Klischees und obskurer Theorien, und verbreitet außerhalb des Romans dunkle Andeutungen über eine unterdrückte religiöse Tradition, um die Absatzzahlen zu erhöhen. Mit dem Ergebnis, dass viele Menschen heute glauben, der Unsinn, den Baigent, Lincoln und Lee verbreiten, basiere auf Fakten. Leider muss sich Brown vorwerfen lassen, dass er sich zu einem guten Stück an dieser Geschichtsverfälschung beteiligt hat. Anstatt klarzustellen, dass sein Buch ein reiner Unterhaltungsroman ist, hat er mit unklaren und suggestiven Bemerkungen an der Weiterverbreitung einer Legende gearbeitet: Antiauflärung im Dienste der Umsatzsteigerung.

Eine brauchbare Website, in der die vielen zweifelhaften Quellen von Brown beleuchtet und den Ergebnissen seriöser Forschung gegenübergestellt werden, hat der Kunsthistoriker Alexander Schick ins Netz gestellt: http://www.sakrileg-betrug.de

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Ich nehme mal an, dass bestimmt der/die eine oder andere/r auch den Film "Da Vinci-Code/Sakrileg" gesehen hat, wie habt ihr denn den gefunden?
Auch wenn die Frage schon eine Weile her ist, eine Antwort würde mich auch interessieren. Ich selbst habe den Film nicht gesehen und verspüre bisher auch kein Bedürfnis danach. Aber begeisterte Kommentare könnten das vielleicht ändern?!
Das Problem mit Dan Brown ist daher auch nicht, daß er einen spannenden (aber eben auch im Grunde belanglosen) Roman geschrieben hat, sondern daß er (und vermutlich mehr noch sein Verlag) suggeriert, dieser Roman beruhe auf Fakten, oder doch zumindest seriösen wissenschaftlichen Theorien.
Das ist genau der „Kasus knacktus“. Ich bin da - Asche auf mein Haupt - auch teilweise erst drauf reingefallen. Allerdings habe ich in der Folge etliche Bücher wirklich seriöser Autoren (Wissenschaftler, also Theologen bzw. Kirchenhistoriker) gelesen und bin dadurch zur Beschäftigung mit der Frühgeschichte des Christentums gekommen, was ein wirklich interessantes Thema ist. Insofern muß ich Dan Brown sogar dankbar sein...

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Post by somehopesnoregrets »

Neben der problematischen Verwuselung zwischen Fakten und Fabulierung nervte mich vor allem die Tatsache, dass (in meinen Augen richtiger- und interessanterweise) es das ganze Buch lang alles um Metaphern und Symbole geht, nur um dann am Ende plump voll ins Wortwoertliche abzurutschen (von der spirituellen Kraft des Femininen hin zu Knochen unter'm Louvre -- wie enttaeuschend). Dadurch (und auch durch die eindimensionalen Handlungstraeger) kam mir das Buch als ziemliche Zeitverschwendung vor... Ich habe es in Englisch gelesen und den Film nicht gesehen.

Gruss,
:) Julia

Martin_Weyers
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Post by Martin_Weyers »

Hallo Julia, willkommen im Forum! Schön zu sehen, dass in Northern California deutsch gesprochen wird!

Ich schätze, das Problem mit Da Vinci Code ist einfach, dass das Buch von vielen zu ernst genommen wird, was zum Teil in der Marketingstrategie des Verlags begründet liegt. Bei einem James Bond Film regt sich auch keiner über die unglaubwürdige Handlung auf, allerdings wird dort auch nicht versucht, Fiktionen als Fakten bzw. wissenschaftlich begründete Theorien zu verkaufen.
Works of art are indeed always products of having been in danger, of having gone to the very end in an experience, to where man can go no further. -- Rainer Maria Rilke

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Post by somehopesnoregrets »

Halloechen!

Vielen Dank fuer den liebevollen Empfang. Es freut mich, dass ich hier auf das deutsche Forum gestossen bin. Ich bin in Leverkusen aufgewachsen und 1994 nach San Francisco ausgewandert. Schreibender- und sprachlicherweise fuehle ich mich dieser Tage im Englischen fast schon mehr zu Hause als im Deutschen, obgleich ich inzwischen in beiden Sprachen einen (schwer plazierbaren, sagt man mir) Akzent habe und durch das hier Leben ueberrascht feststellen musste, wie typisch deutsch ich in vieler Hinsicht eigentlich bin (meine fast fanatische Puenktlichkeit ist z.B. ausgesprochen unkalifornisch...). In den letzten zwei-einhalb Jahren habe ich wieder mehr Deutsch gesprochen, denn im Oktober 2005 war der Geburtstag der aelteren meiner beiden Toechter, die wir mehrsprachlich erziehen. Ich spreche mit den Kindern nur deutsch, mein geliebter Gatte nur kantonesisch (er ist urspruenglich aus Hong Kong), und ansonsten sind sie hauptsaechlich von Englisch umgeben.

Es ist interessant, wie sich die gleichen Gedanken und Ideen in Englisch und Deutsch ganz unterschiedlich anfuehlen koennen.
Ich schätze, das Problem mit Da Vinci Code ist einfach, dass das Buch von vielen zu ernst genommen wird, was zum Teil in der Marketingstrategie des Verlags begründet liegt. Bei einem James Bond Film regt sich auch keiner über die unglaubwürdige Handlung auf, allerdings wird dort auch nicht versucht, Fiktionen als Fakten bzw. wissenschaftlich begründete Theorien zu verkaufen.
Oh, nein!! Bist Du sicher, dass es James Bond nicht wirklich gibt...??? Wie enttaeuschend... Obgleich ich da schon so meinen Verdacht hatte, denn bei wem aendert sich schon das Gesicht so radikal alle paar Jahre... :wink:

Ein Grund dafuer dass mich die "oh, vielleicht ist da ja doch etwas dran"-Verkaufsstrategie des "Da Vinci Code"s so nervt ist die Tatsache, dass hier in den Staaten ohnehin viele Leute Fakten und Fiktionen verwechseln. Ob dafuer nun mangelhafte Wissenschaftsbildung in der Schule, die im Vergleich zu Deutschland recht extreme Religioesitaet, die profitorientierten, sensationsanbietenden Massenmedien, oder Computeranimationen, die uns inzwischen fast alles Denkbare in realistische Bilder packen koennen, dafuer verantwortlich sind, es gibt hier eine kleine, hochgebildete Elite von Leuten, die das wissenschaftliche Weltbild gekonnt nutzen und die, was ihnen medial begegnet, daraufhin intelligent einzuschaetzen wissen und, im Gegensatz dazu, eine grosse Zahl mehr oder weniger verwirrter Menschen, die in ihrem Einordnen der Informationsflut, die auf sie einschiesst, systematisch Tatsachen mit Spekulationen und Metaphern mit Fakten verwechseln. Es wird natuerlich nicht einfacher dadurch, dass es hier Schlangenoel-Verkaeufer (Weisst Du, was ich meine, oder ist das ein zu amerikanisches Idiom?) gibt, die Unwissen gezielt zum eigenen Profit ausnutzen, und dass viele Wissenschaftskritiker schon hie und da einmal etwas Bedenkenswuerdiges von sich geben.

In einer Welt, in der John Edwards (ein Typ der "cold reading" Methoden dazu verwendet um Trauernden einzureden, dass er mit ihren frisch Verstorbenen kommuniziert) Konzerthallen fuellen kann, ist jede bewusste Geschichts- und Realitaetsverfaelschung in meinen Augen fahrlaessig und sehr gefaehrlich. Die Tatsache, dass hier noch ernsthaft ein recht substantieller Anteil der Gesamtbevoelkerung Darwin's Evolutionslehre zu Gunsten des fundamentalchristlichen Kreationismus anzweifelt, und es hier nicht nur Diskussionen sondern tatsaechlich Gerichtsverfahren darueber gibt, ob man nun die biblische Schoepfungslehre im Biologieunterricht vorstellen solle, zeigt mir dass die Leute hier schon sehr verwundtbar sind, was Misinformation betrifft. Die Fernsehkanaele sind hier voll von "X-File"-artigen, geisterjagenden Sendungen, von denen viele aehnlich wie der "Da Vinci Code" mit einem "oh, vielleicht ist da ja doch etwas dran, wer weiss, wer weiss" werben (kontrastiert mit dem anderen Extrem, dem von wissenschaftsglorifizierenden, fiktiven Sendungen wie "CSI -- Crime Scene Investigation")... Schon interessant und ein potentielles kognitives Pulverfass, wenn sich eine Gesellschaft in solche Extreme aufspaltet, scheint es mir...

Zurueck zum Thema: Ich habe auch einzelne Aspekte des "Da Vinci Code"s genossen. Zum Beispiel hat mich das Buch dazu angeregt, mehr ueber Maria Magdalena zu lesen, mit dem Ergebnis, dass ich (durch andere Buecher) eine faszinierende historische Gestalt besser kennengelernt habe. Und, von dem plumpen und dummen Ende abgesehen, ist es doch schoen zu sehen, dass die Themen weiblicher Weisheit und Spiritualitaet spannend verpackt schon Massenappeal haben.

Mit lieben Gruessen,
:) Julia

Martin_Weyers
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Post by Martin_Weyers »

Ich finde es klappt doch noch ganz gut mit der deutschen Sprache! "Schlangenölverkäufer" gibt es hier auch, nur heißen sie bei uns Scharlatane oder (veraltet) Quacksalber. Heute verkaufen sie keine Heiltränke, sondern Bücher. Damit meine ich allerdings nicht Dan Brown, der ja eigentlich ein harmloser Verfasser von Unterhaltungsromanen ist, sondern vielmehr jene Marketingstrategen, die solange ohne Rücksicht auf Verluste Bildungsinhalte mit unterhaltsamem Nonsens vermischen, bis der Geschmack des breiten Publikums getroffen ist. So läuft es auf dem Buchmarkt, im Fernsehen und in der Kunstszene.

Es stimmt sicher, dass durch den Da Vinci Code viele Leute angeregt wurden, sich intensiver mit der offiziellen und inoffiziellen Kirchengeschichte zu beschäftigen. (Sogar der Pressesprecher von Opus Dei freute sich unlängst in einem Interview über die indirekte Werbung durch Buch und Film.)

Die einen (vermutlich wenigen) stoßen dann wie du und ich auf seriöse Arbeiten, die die Theorien, auf die Dan Brown zurückgreift, in einem ziemlich schlechten Licht dastehen lassen, die anderen (vielen) greifen auf reißerische Sachbücher zurück, in denen absurde Verschwörungstheorien entwickelt werden. Irgendwie beschleicht mich ein ungutes Gefühl bei dieser Art, "Bildung" zu vermitteln.

Die Bildungsunterschiede mögen in USA noch größer sein als hierzulande; Leider klafft auch in Deutschland die Gesellschaft immer mehr auseinander, sowohl sozial als auch im Hinblick auf Bildung. Das Popularisieren von Bildung ist daher ungeheuer wichtig, wird aber leider oft von den falschen Leuten mit zweifelhaften Absichten unternommen, sowohl im TV als auch auf dem Buchmarkt. Es gibt hierzulande kaum mehr ein kulturelles Bewusstsein, alles ist nur noch auf Geldvermehrung ausgerichtet, und insofern kann ich es nur allzugut verstehen, wenn Leute nach Kalifornien auswandern. San Francisco hat mich immer interessiert, dort scheint mir sozusagen die Avantgarde amerikanischer Kultur (wozu ich auch die Joseph Campbell Foundation zähle) zuhause zu sein.
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