Inanna, eine starke Frau, geht freiwillig (!) in die Unterwe

Wisst Ihr mehr über Mythologie, Philosophie, Religionen, Symbole, Mystik, Joseph Campbell etc., als Ihr in englischer Sprache ausdrücken könnt? Oder interessieren euch Themen, die speziell für den deutschen Sprachraum relevant sind? Für Beides ist das deutschsprachige Diskussionsforum der richtige Ort!

Moderator: Martin_Weyers

B.E.P.
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ff... andererseits: den Aktionsradius der Hand erweitern:

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Martin_Weyers
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SiCollier, vermutlich hast du Recht: ganz ohne Hürden geht es nicht. Freies Posten ohne irgendwelche Registrierung würde vermutlich eher die falschen Leute anziehen, und die Art von Beiträgen fördern, die schon so viele Internetforen in einen Sumpf aus Aggressivität und Besserwisserei verwandelt haben. Auch dies ein interessantes Phänomen im Hinblick auf die Lust and Macht und Manipulation nicht nur gegenüber Frauen, sondern generell gegenüber (vermeintlich?) Schwächeren: Der freiheitliche Raum des Internets als eines der letzten Refugien, wo man noch ungehindert das Faustrecht ausüben darf.

B.E.P., ich kenne weder Mulacks Buch noch das Märchen in der Urfassung. (Wo hat sie die her?) Ich muss mich allein auf die Grimmsche Fassung beziehen, die man beim Projekt Gutenberg online finden kann: Das Mädchen ohne Hände.

Ich habe keine Ahnung, was die Grimms auf welche Weise zurechtgebogen haben, aber in ihrer Darstellung tue ich mich schwer, eine kritische Darstellung patriarchalischer Unterdrückung herauszulesen. Die Geschichte scheint eher von christlichen Wertvorstellungen geprägt.

Der Teufel ist durch und durch böse, wie es sich gehört, und hat es darauf abgesehen, schwachen Vätern und unschuldigen kleinen Mädchen zu schaden.

Das kleine Mädchen verliert auch angesichts der Teufeleien, die ihm widerfahren, nicht den frommen Glauben, was der liebe Gott mit dem Nachwachsen der abgeschlagenen Hände belohnt. (Ein Gefolgsamkeitstest à la Hiob?)

Der König ist eine wahre Lichtgestalt, während der Vater eher von Armut und Schwäche gezeichnet ist, als von Gier und Herrschsucht. Den Pakt mit dem Teufel geht er aus der Not heraus ein, ohne dabei zu ahnen, dass es sich um den Teufel handelt; naiv glaubt er, der geheimnisvolle Fremde habe es nur auf seinen Apfelbaum abgesehen. (Vielleicht wäre es interessant, die Symbolik von Apfel- und Birnbaum zu untersuchen, die ja beide eine zentrale Rolle spielen!)

Besonders putzig: Die Stelle, wo der Vater sich bei dem kleinen Mädchen entschuldigt, dass er ihm leider die Hände abhacken muss, weil er sich sonst selbst womöglich Probleme einhandeln könnte. Dem König dagegen könnte man allenfalls vorwerfen, dass er es vorzieht, "über das Feld ziehen" zu müssen, anstatt seiner schwangeren Frau beizustehen (aber schließlich haben Könige ja noch andere Verpflichtungen!)

Hier könnte man ansetzen und eine Botschaft dahingehend vermuten, dass die Männer schwach sind, und kleine Mädchen sich daher lieber auf den lieben Gott verlassen.

Aber so sind sie eben die Grimms... oder hat Frau Mulack vielleicht doch nur ihre eigenen Ideen auf diese Geschichte projiziert? Ich habe wirklich keine Ahnung, aber vielleicht sagt es uns jemand, der ihr Buch gelesen hat, oder mehr über die Urfassung des Märchens weiß (falls denn eine überliefert ist)!

Einige Bemerkungen noch zu Innana im Vergleich zu dem Mädchen ohne Hände:

Innana ist eine "starke Frau", die sich freiwillig in die Unterwelt begibt (wie der Titel dieses Gesprächsfadens besagt), da sie ihre Kraft in sich selbst findet -- während das Mädchen ohne Hände sich im Gottvertrauen dem Schicksal ergibt. ("Sie antwortete 'lieber Vater, macht mit mir, was Ihr wollt, ich bin Euer Kind.' Darauf legte sie beide Hände hin und ließ sie sich abhauen.")

Innana ist eine Heldin, die ihren Weg selbst geht -- während sich das Mädchen ohne Hände von äußeren Kräften durchs Leben zerren lässt (bei denen es sich sowohl im menschlichen als auch im götlichen Bereich um männliche Kräfte handelt).

Schließlich ist Innana eine Göttin, und das Mädchen aus dem Grimmschen Märchen ein Kind, das von kleinauf zu lernen hat, dass man als Frau machtlos ist, und die einzigen Männer denen man trauen kann der himmlische und der irdische Herrscher sind ... und auch die lassen sich manchmal Zeit.

Danke für den Link zum Heldenbuch! Ich habe es mir heruntergeladen - immerhin ein erster Schritt zum Lesen.
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B.E.P.
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Innana-Ischtar-Isis

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Martin_Weyers
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Post by Martin_Weyers »

Danke für's Häppchenhinwerfen! Ich werde die Spur aufnehmen... :P (Leider gibt's weder einen Sherlock Holmes-Smiley noch einen Hunde-Smiley!)
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Gerard
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Gerard wrote:Die wichtigste Goettin in Sumerien war Inanna. Sie ist die Goettin der Fruchtbarkeit (also auch sex), jung, wild, energisch, auffordernd, selbstbewusst. Eine Frau die weiss was sie will und nimmt was sie will.

Und wichtig: was ist der Unterschied zwischen Inanna vor der Reise und Inanna nach der Reise? (Wie/was) Hat sich (sich) geaendert?

_________________
....and her laughter was pure delight and mischief: 'This, Enki, you will never find out!'


Der Grund worum Inanna die ueberhaupt Reise anfaengt kann ziemlich wichtig sein. Es gibt das verschiedene Meinungen. Was ich aus der Kontext hole ist das Inanna, die schon alles hat, dan schliesslich auch noch das Letzte will: Goettin (Macht!) der Unterwelt sein. Das geht dan aber ziemlich schief.

Wenn sie zurueck gehen darf (!) nach der Oberwelt ist sie eine andere Inanna: wo sie vorher nur egozentisch war (Kind-fase?) ist sie beim Rueckkehr mild.

Eher eine Weise Frau als eine Starke Frau.
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Gerard
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Gerard wrote:
Gerard wrote:Die wichtigste Goettin in Sumerien war Inanna. Sie ist die Goettin der Fruchtbarkeit (also auch sex), jung, wild, energisch, auffordernd, selbstbewusst. Eine Frau die weiss was sie will und nimmt was sie will.

Und wichtig: was ist der Unterschied zwischen Inanna vor der Reise und Inanna nach der Reise? (Wie/was) Hat sich (sich) geaendert?

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Der Grund worum Inanna die ueberhaupt Reise anfaengt kann ziemlich wichtig sein. Es gibt das verschiedene Meinungen. Was ich aus der Kontext hole ist das Inanna, die schon alles hat, dan schliesslich auch noch das Letzte will: Goettin (Macht!) der Unterwelt sein. Das geht dan aber ziemlich schief.

Wenn sie zurueck gehen darf (!) nach der Oberwelt ist sie eine andere Inanna: wo sie vorher nur egozentisch war (Kind-fase?) ist sie beim Rueckkehr mild.

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Danke, daß Du das aus der Versenkung geholt hast. Zwar mache ich seit Jahren grundsätzlich keine Neujahrsvorsätze mehr, doch bin ich dabei, für 2008 eine "Leseplanung" machen. Da werde ich das Thema "Inanna" mal eher zu Anfang des Jahres reinschreiben und mich dann hier wieder melden.
"The most convincing proof for the existance of water ist thurst." Franz von Baader (1765-1841)

Gerard
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SiCollier wrote:Danke, daß Du das aus der Versenkung geholt hast. Zwar mache ich seit Jahren grundsätzlich keine Neujahrsvorsätze mehr, doch bin ich dabei, für 2008 eine "Leseplanung" machen. Da werde ich das Thema "Inanna" mal eher zu Anfang des Jahres reinschreiben und mich dann hier wieder melden.
Hallo SiCollier.

Diesen Sommer hatten wir hier Rebecca Armstrong. Sie hat sich lose gemacht von bestimmte Sichtweisen von Joseph Campbell und hat ihr eigenes "Modell" herausgefunden. Die Frauenreise ums mal so zu sagen. Es kann sein das ich sie etwas in verlegenheit brachte als ich in die Gruppe bemerkte das ihr Modell geschrieben war nach die Reise von Inanna. Moeglich habt ihr Rebecca's Vorlesung auch gehabt und kannst du was damit anfangen.

Schoene Gruesse, Gerard.

(Und Alle ein guter Rutsch und Prosit aus Amsterdam!)
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Hallo Gerard, ich kann mir kaum vorstellen, dass du sie verlegen gemacht hast. Ist es nicht eher eine Validierung/Bestätigung des Modells, wenn es bereits in alten Mythen angelegt ist? Vielleicht gilt für die Modelle der Heldenreise, sofern sie etwas taugen, ja dasselbe, was Campbell über Mythen sagt, dass sie nämlich nicht er-funden, sondern ge-funden werden (weshalb das Modell selbst ja auch keinem Copyright unterliegt, im Gegensatz zu Büchern und Texten zum Thema).
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Hallo Gerard,

ja, Rebecca Armstrong war auch in Deutschland, und ich konnte an dem Abend teilnehmen (wie man an meiner Signatur sieht ;-) ; dieser Satz wurde von Rebecca Armstrong an diesem Abend zitiert und hat mich - offensichtlich - sehr beeindruckt.)

Ich habe mir dieser Tage zwei Bücher zum Thema "Inanna" bestellt und will die, zumindest teilweise, jetzt im Januar oder Februar lesen. Dann kann ich hier sicher auch sachlich wieder etwas beitragen.
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AnnaIn in den Katakomben - Olga Tokarczuk

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Inzwischen habe ich das erste Buch zu "Inanna" gelesen und eine Rezension dazu bei der Büchereule eingestellt. Da hier ja weniger ein Forum für Rezensionen ist, setze ich einfach mal einen Link dorthin, wer sich dafür interessiert:

< Klick > für die Rezension bei der Büchereule (deutsch).

(Mehr zum Thema hier zu einem späteren Zeitpunkt.)
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Ich habe mir jetzt Martins Post nochmals durchgelesen. Im Hinblick auf das Buch "AnnaIn in den Katakomben" muß ich sagen, daß es zwar eine gute Übertragung des Mythos in moderne Bilder war, ich aber zu dem zugrundeliegenden Mythos bzw Modell noch nicht durchgedrungen bin, es noch nicht gefunden habe.

Die nächsten Tage werde ich mal ein eher Richtung Sachbuch orientiertes Buch zum Thema lesen; vielleicht kann ich dann was substantielles beitragen bzw. das, was mir unklar ist, in Worte fassen und hier fragen.
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