Campbells „Heros in tausend Gestalten“

Wisst Ihr mehr über Mythologie, Philosophie, Religionen, Symbole, Mystik, Joseph Campbell etc., als Ihr in englischer Sprache ausdrücken könnt? Oder interessieren euch Themen, die speziell für den deutschen Sprachraum relevant sind? Für Beides ist das deutschsprachige Diskussionsforum der richtige Ort!

Moderator: Martin_Weyers

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Campbells „Heros in tausend Gestalten“

Post by SiCollier »

Ich muß mich jetzt mal outen: ich komme nicht mehr weiter. Ich habe den zweiten Anlauf hinter mir, Campbells „Der Heros in tausend Gestalten“ zu lesen. Und bin zum zweiten Mal gescheitert. Ich finde einfach keinen Zugang zu dem Buch. So sehr mich „Die Kraft der Mythen“ sowie „Das bist Du“ angesprochen haben, so wenig komme ich mit dem „Heros“ zurecht.

Campbell breitet, quasi so nebenbei, eine ungeheure Fülle von Wissen und Informationen aus - doch ich bringe einfach keinen Zusammenhang hinein. Hart gesprochen, ich vermag den Sinn dessen, was er beschreibt, nicht nachzuvollziehen und zu verstehen. Vermutlich sollte man erst Anthropologie studieren, bevor man dieses Buch liest.

Auf der Amazon-Website fand ich den Hinweis, daß die Übersetzung schlecht sei. Ob es daran liegt?

Vielleicht gibt es hier ja doch noch ein paar Menschen, die das Buch gelesen haben, und ein paar Hinweise geben könnten, wie sich mir das Buch doch noch erschließen kann? Oder was ich sinnvollerweise vorher lesen sollte, um das Grundlagenwissen zu erweitern, und den „Heros“ dann verstehen zu können?

Oder stehe ich so alleine, daß niemand diese Probleme nachvollziehen kann?

Martin_Weyers
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Post by Martin_Weyers »

In meinen Augen ist Heros in tausend Gestalten ein besonders wichtiges, aber auch nicht ganz leichtes Buch. Bei den vielen Geschichten, Mythen und Märchen aus aller Welt, kann man schon mal den Faden verlieren. Mich hat das nie besonders gestört, weil auch das Verlieren des Fadens stets erstklassige mythologische Reisen nach sich gezogen hat!

Die Übersetzung ist nicht schlecht, stammt jedoch aus den fünfziger Jahren und wirkt heute etwas altmodisch und manchmal umständlich. Das Buch könnte eventuell tatsächlich eine neue Übersetzung vertragen. Allerdings ist es auch im Original nicht einfach. Das beginnt bereits mit dem ersten Satz, der (Campbell auf den Spuren von Thomas Mann?) ungewöhnlich lang ist gerade für einen englischsprachigen Autor.
Whether we listen with aloof amusement to the dreamlike mumbo jumbo of some red-eyed witch doctor of the Congo, or read with cultivated rapture thin translations from the sonnets of the mystic Lao-tse; now and again crack the hard nutshell of an argument of Aquinas, or catch suddenly the shining meaning of a bizarre Eskimo fairy tale: it will be always the one, shape-shifting yet marvelously constant story that we find, together with a challengingly persistent suggestion of more remaining to be experienced than well ever be known or told.
Wer den Satz (ein echter Schwellenhüter!) überstanden hat, sollte sich von Nichts mehr schrecken lassen.

Kennst du Die Odyssee des Drehbuchschreibers von Christoph Vogler? Eigentlich ein Buch für Autoren, das aber nebenbei eine sehr gut lesbare Einführung in die Heldenreise nach Campbell darstellt. Die echten Fans von Heros in tausend Gestalten halten das Buch natürlich für etwas oberflächlich. Wie gesagt, stellt es aber eine gute Einführung dar. Anschließend kannst du mit Campbells Buch ja noch einen neuen Anlauf versuchen.

Martin Weiss hat mit Quest eine Art Selbsthilfebuch für Lebenskrisen geschrieben, das auf der Heldenreise nach Campbell/Vogler basiert. Das Buch ist ziemlich flott geschrieben und leicht lesbar - eine gute Einführung mit Gewichtung auf der psychologischen Nutzanwendung statt mystisch-metaphysicher Gefilde.

Seltsam, dass Campbell keine populäre Variante der Hero's Journey geschrieben hat, wo er doch in seinen späten Jahren so sehr auf's Popularisieren bedacht war! In Reflections on the Art of Living. A Campbell Companion (keine deutschsprachige Ausgabe) gibt es neben allen möglichen zitierfähigen Passagen jedoch auch eine kurze Zusammenfassung der Hero's Journey am Beispiel eines zeitgenössischen Künstlers.

Und die beste aller Einführungen? Ein Besuch des Heidelberg RoundTable (nächster Termin am 24. August)! :wink:
Works of art are indeed always products of having been in danger, of having gone to the very end in an experience, to where man can go no further. -- Rainer Maria Rilke

SiCollier
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Post by SiCollier »

Danke für die rasche Antwort!

Den englischen Satz habe ich (ohne Lexikon!) ziemlich gut überstanden - vielleicht sollte ich doch die englische Ausgabe lesen?

Danke für die Buchhinweise, denen ich nachgehen werde.

Und den nächsten RoundTable Termin hatte ich im Forum schon entdeckt. Da mein Auto mehrere größere (und teure) Reparaturen hinter sich hat, sollte es wieder zuverlässig laufen, so daß ich hoffe, kommen zu können!

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