Eine Menschheit - Ein Mythos?

Wisst Ihr mehr über Mythologie, Philosophie, Religionen, Symbole, Mystik, Joseph Campbell etc., als Ihr in englischer Sprache ausdrücken könnt? Oder interessieren euch Themen, die speziell für den deutschen Sprachraum relevant sind? Für Beides ist das deutschsprachige Diskussionsforum der richtige Ort!

Moderator: Martin_Weyers

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SiCollier
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Eine Menschheit - Ein Mythos?

Post by SiCollier »

Mich beschäftigt derzeit eine Thematik, die schon in dem einen oder anderen Thread angesprochen wurde, und auf die ich durch mein kürzlich gelesenes Buch „Das Wissen der Bäume“ von Thomas Jeier wieder gestoßen wurde (wen es interessiert: < Klick > - da habe ich eine Buchvorstellung dazu geschrieben, denn hier würde das vermutlich nicht reinpassen).

In einer für mich völlig neuen Synthese von Mythos, Legende und historischer Vergangenheit erzählt Jeier die Geschichte der Tsis-Tsis-Tas, der Cheyenne, von ihrem Erscheinen auf der Welt bis hin zur Schlacht am Little Bighorn.

Dabei sind mir einige Motive aufgefallen, die ich aus der christlichen, um bei dem Wort zu bleiben, Mythologie kenne. Aber auch in anderen Gegenden der Welt auftauchen, das alte Ägypten sei hier stellvertretend genannt. Motive wie Jungfrauengeburt oder Tod und Wiederauferstehung.

Jetzt frage ich mich, wie kann es sein, daß solche Motive in Abwandlung, aber grundsätzlich gleicher „Essenz“ durch die Jahrtausende hindurch überall auf der ganzen Welt auftauchen. Spiegelt sich darin so etwas wie eine „allgemein gültige und bekannte Wahrheit“, ein Wissen oder Erfahrung, das allen Völkern (bzw. Menschen) auf der Erde gemeinsam ist?

Und wenn das so ist, welche Konsequenzen wären daraus zu ziehen?



PS. Ich übersetze dies gerade und will dieses Thema in den nächsten Tagen noch im englischen Teil des Forums posten, da das eine Thematik ist, die vielleicht nicht nur dür das deutschsprachige Forum interessant ist.)
"The most convincing proof for the existance of water ist thurst." Franz von Baader (1765-1841)

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Post by SiCollier »

Wie angekündigt, habe ich das jetzt auch im englischen Teil des Forums gepostet, und zwar < Hier >.
"The most convincing proof for the existance of water ist thurst." Franz von Baader (1765-1841)

Martin_Weyers
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Post by Martin_Weyers »

Hallo SiCollier,

ein Buch nicht richtig einordnen zu können ist, wie ich finde, ein gutes Zeichen. Das Wissen der Bäume klingt nach einem interessanten Roman.

Die Frage, ob identische Motive in den Mythologien der Völker auf "kulturelle Diffusion" oder aber auf identische Erfahrungen oder Denkweisen zurückzuführen ist, lässt sich nicht allgemein beantworten.

Die Motive von Auferstehung und Jungfrauengeburt beruhen vermutlich auf einer psychologischen Konstante, und man könnte sie daher als archetypische Motive bezeichnen -- was nicht ausschließt, dass sie sich auch durch Kontakte zwischen den Kulturen weiterverbreitet haben. Ich denke man sollte beide Erklärungsmodelle ernstnehmen, auch wenn man das Wirken von Archetypen nicht nachweisen kann.

(Im englischen Thread haben BodhiBliss und Noman, die zu unseren kenntnisreichsten Forumbesuchern gehören, bereits ausführliche Antworten gepostet.)
Works of art are indeed always products of having been in danger, of having gone to the very end in an experience, to where man can go no further. -- Rainer Maria Rilke

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Post by SiCollier »

Danke für die Antwort. Das Buch ist interessant, vor allem auch, weil ich manches historische und legendenhafte Detail gerade in einem Sachbuch über die Geschichte der Indianer bestätigt gefunden habe. Jedenfalls wird mir so langsam verständlich, weshalb Joseph Campbell so von den indianischen Mythen fasziniert war.

Ich werde mir jetzt erst mal die Beiträge im englischen Forum in Ruhe durchlesen.


Edit. Ergänzung
"The most convincing proof for the existance of water ist thurst." Franz von Baader (1765-1841)

Mustafa
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Re: Eine Menschheit - Ein Mythos?

Post by Mustafa »

SiCollier wrote:
Jetzt frage ich mich, wie kann es sein, daß solche Motive in Abwandlung, aber grundsätzlich gleicher „Essenz“ durch die Jahrtausende hindurch überall auf der ganzen Welt auftauchen. Spiegelt sich darin so etwas wie eine „allgemein gültige und bekannte Wahrheit“, ein Wissen oder Erfahrung, das allen Völkern (bzw. Menschen) auf der Erde gemeinsam ist?
Hallo .

Auf die Frage , die du da stellst , bietet Campbell in seinen "Masken Gottes" sehr ausführliche Antworten .

Ich würde es so ausdrücken :
Grundsätzlich machen alle Menschen auf der Erde grundlegende Erfahrungen , die bei allen nahezu identisch sind . (Geburt , Jugend , Alter ,Tod, Hunger , Krankheit , Sexualität , etc.)

Allein dadurch können schon ähnliche mythologische Motive entstehen .
Darüberhinaus sind Menschen aber auch immer offen gewesen für "fremde" Motive , mit denen sie in Kontakt kamen , weil sie in den "fremden" Geschichten auch ihre eigenen Erfahrungen , Vorstellungen und Hoffnungen gespiegelt sahen .

SiCollier
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Re: Eine Menschheit - Ein Mythos?

Post by SiCollier »

Mustafa wrote: Ich würde es so ausdrücken :
Grundsätzlich machen alle Menschen auf der Erde grundlegende Erfahrungen , die bei allen nahezu identisch sind . (Geburt , Jugend , Alter ,Tod, Hunger , Krankheit , Sexualität , etc.)
Das stimmt und es ist für mich nachvollziehbar, daß aus solchen ähnlichen (bzw. gleichen) Erfahrungen (sowie dem Erleben der Natur) ähnliche Mythen (im weitesten Sinne) entstehen.

Was mich etwas verwundert hat, sind die schon genannten Motive Jungfrauengeburt sowie Tod und Auferstehung. Das sind ja nicht unbedingt "Ableitungen" aus den von Dir genannten Grunderfahrungen. Daß diese aber dennoch rund um den Globus zu finden sind ist, was mich fasziniert. Zwischen beispielsweise den Ägyptern und den frühen Christen läßt sich eine Verbindung, alleine schon durch die räumliche Nähe, herstellen. Aber zu der Zeit gab es m. W. keine nach Amerika. Nach neueren Datierungen sind die Vorfahren der Indianer vor über 12.000 Jahren eingewandert (Quelle: "Die Indianer Nordamerikas" von Werner Arens / Hans-Martin Braun, Ch.H. Beck, München, 2004). Wenn ich es recht im Kopf habe, war das lange vor der Blütezeit der Ägypter.

Das im Eingangspost erwähnte Buch beginnt übrigens mit der legendenhaften Erinnerung an diese Einwanderung. Der erste Kontakt zu anderen war viele tausend Jahre später, als die Wikinger Amerika erreichten.


"Die Masken Gottes" stehen übrigens in meinem Bücherregal, allerdings habe ich mich ob des Umfangs noch nicht rangetraut. Das sollte ich wohl mal ändern. Danke für den Hinweis.
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Post by SiCollier »

Ich hole diesen alten Thread mal nach oben (anstatt einen neuen zu eröffnen), weil ich unversehens wieder auf diese Thematik gestoßen bin und mir ein ganz anderer „Lösungsansatz“ begegnet ist.

Original von SiCollier
Jetzt frage ich mich, wie kann es sein, daß solche Motive in Abwandlung, aber grundsätzlich gleicher „Essenz“ durch die Jahrtausende hindurch überall auf der ganzen Welt auftauchen.
So hatte ich im Eingangspost gefragt.
Original von Mustafa
Grundsätzlich machen alle Menschen auf der Erde grundlegende Erfahrungen , die bei allen nahezu identisch sind .
(...)
Darüberhinaus sind Menschen aber auch immer offen gewesen für "fremde" Motive , mit denen sie in Kontakt kamen , weil sie in den "fremden" Geschichten auch ihre eigenen Erfahrungen , Vorstellungen und Hoffnungen gespiegelt sahen .
So hatte Mustafa geantwortet.


Ich lese derzeit ein Buch, in dem die Mythen um Inanna, Gilgamesch, Isis und Rhea nacherzählt und erläutert werden. In (fast schon) erschreckender Weise kamen mit einige zentrale Motive bekannt vor - aus der hebräischen bzw. christlichen Bibel. Da diese jedoch teilweise wesentlich jünger ist als etwa die sumerischen Texte über Innana oder Gilgamesch, könnte ein solches Vorkommen gleicher bzw. ähnlicher Motive auch schlicht und einfach auf „Abschreiben voneinander“ (bzw. etwas vornehmer ausgedrückt Übernahme, Weiterentwicklung) beruhen. Oder durch Wanderbewegungen der Völker, die ihre Mythologie mitgenommen haben, verbreitet und beim Vermischen mit der lokalen Bevölkerung verändert worden sein.

Dies erst mal in Kürze als (mir) neuen Gedankengang dazu. Ich werde in den nächsten Tagen versuchen, das auch im englischen Forum zu posten bzw. hier (bei „Lesefortschritt“) weiter zu ergänzen.
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