Das bist Du - Historizität im Christentum

Wisst Ihr mehr über Mythologie, Philosophie, Religionen, Symbole, Mystik, Joseph Campbell etc., als Ihr in englischer Sprache ausdrücken könnt? Oder interessieren euch Themen, die speziell für den deutschen Sprachraum relevant sind? Für Beides ist das deutschsprachige Diskussionsforum der richtige Ort!

Moderator: Martin_Weyers

Martin_Weyers
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Post by Martin_Weyers »

Hallo Chris, willkommen im Forum, und vielen Dank, dass du das deutsche Forum (vorübergehend?) aus seinem Dornröschenschlaf wachgeküsst hast!

Das Christentum hat tatsächlich vielfach ältere Mythologien, Glaubens- und Darstellungsweisen übernommen. Manchmal geschieht dies im Sinne eines lebendigen Umgangs mit Religion, manchmal schlichtweg aus machtpolitischen Erwägungen heraus. Interessant wäre es, die einzelnen Fälle näher zu untersuchen, um im Einzelfall zu entscheiden, ob es sich um kreativen Umgang mit anderen Traditionen oder schlichtweg um taktierendes Plagiieren handelt.
Works of art are indeed always products of having been in danger, of having gone to the very end in an experience, to where man can go no further. -- Rainer Maria Rilke

SiCollier
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Post by SiCollier »

Sorry, daß ich heute erst auf die Posts eingehe. Die Diskussion ist mir irgendwie „durchgerutscht“.

Hello CarmelaBear,
I understand English much better than I can write it; that's why up to now I did not participate in the English Forum!
Original von CarmelaBear
Ja, und Campbell macht verständlich, dass die Bibel mehr Mythologie ist als Geschichte. Viele Geschichten sind nicht ursprünglich. Sie waren alte Geschichten (oder Mythen).
(>>>Yes, and Campbell makes clear that the Bible is more mythology than history. Many stories are not original. They were an ancient history (or myths).
Ja, das habe ich, wie früher erwähnt, durch bzw. von Campbell gelernt und inzwischen akzeptiert.
(Is to mean: Yes, as I wrote earlier, I’ve learned that by reading Campbells Books, and I accepted it.)


Original von Chris.dabc
So gibt es etliche Geschichten in der Bibel, die schlicht und einfach aus älteren Mythen abgeschrieben wurden - heute würde man sagen: Plagiat. Und das wird als originär christlich verkauft.
Man könnte auch sagen „kreativer Umgang mit Quellen“ oder „Integration ähnlichen Gedankenguts“.

Inwieweit das „originär christliche“ wirklich originär christlich ist - das ist eine interessante Frage, die mich schon länger umtreibt. Ohne freilich eine Antwort gefunden zu haben. Oder die Frage, was das letztlich für die Religion bzw. den Glauben bedeutet, beantworten zu können.
"The most convincing proof for the existance of water ist thurst." Franz von Baader (1765-1841)

Gerard
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Post by Gerard »

Chris.dabc wrote:Habe gerade gelesen, das Inanna durch die Mithilfe von zwei Engeln (!) wieder zum Leben erweckt wird und aus der Unterwelt wieder aufersteht. Siehe hierzu Joh. 20,11-18 (sic!)
So gibt es etliche Geschichten in der Bibel, die schlicht und einfach aus älteren Mythen abgeschrieben wurden - heute würde man sagen: Plagiat. Und das wird als originär christlich verkauft.
Frueher war das Autor'ship' nicht wichtig. Es ist dabei auch noch sehr ueblich und normal das Mythen sich aendern im Laufe der Zeit. Also da kann mann das Christtum nicht viel uebel nehmen.

Das wichtige ist das viele Themen (hier 'die Reise in die Unterwelt') ueberall auf der Welt vorkommen. Bis is Japan und China.

Also was klar ist ist das die Christlichen kein einzigartige Geschichte haben. Nix exclusives also. Die haben nicht das Monopolie auf 'ihre' Geschichten. Das ist es was die nicht wahr haben wollen. Aber leider ....

Die Reise in der Unterwelt kann man am besten sehen als eine Reise ins Innerliche - jeder der dann wieder rauskommt hat eine grundsatzliche Persoenlichkeitsaenderung durchgemacht. So auch Inanna. War sie erst eine aroogante selbstsuchtige und egozentrische Frau - nachdem sie tot war und mit dem Wasser (= Leben) besprueht wurde, ist sie eine viel mildere und weisere Frau.

Man kann die Geschichte auch lesen als die Uebergang vom Winter nach der Fruehling.

Und schliesslich ist das Thema vom Zuruckholen eine Geliebte auch oft da. Das Zurueckholen aber geht immer schief. Die Bedeuting davon ist das der Tod unwiederruflich ist. Damit soll man sich abfinden. Die/der Tote kommt nie wieder zurueck. Damit soll man sich abfinden. Trauern und Erinnern ist gut, aber das Leben soll gelebt werden.
Sisyphus Laughs

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Post by SiCollier »

Original von Gerard
Frueher war das Autor'ship' nicht wichtig. Es ist dabei auch noch sehr ueblich und normal das Mythen sich aendern im Laufe der Zeit.
Volle Zustimmung. Und dann kommt noch hinzu, daß früher solche Mythen (um bei dem Begriff zu bleiben) anders erzählt bzw. aufgeschrieben wurden, als das unseren heutigen wissenschaftlichen „Standards“ entspricht. Was die Sache noch schwieriger macht.


Je mehr ich mich mit Mythen befasse (leider habe ich viel zu wenig Zeit dazu), um so mehr komme ich zu der Erkenntnis, daß eigentlich niemand (bzw. keine Gruppe) ein Monopol auf einen grundlegenden Mythos hat. Es tauchen rund um den Globus immer wieder die gleichen Motive auf, jeweils durch die umgebende Kultur verändert. )Als die in dieser Hinsicht tolerantesten begegnen mir übrigens immer wieder die Native Americans.)


Ansonsten wird es wirklich Zeit, daß ich endlich das Buch über Inanna lese, das ich schon lange vorhabe zu lesen. Danke für das dauernde Erinnern! :-)
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Gerard
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Post by Gerard »

SiCollier wrote:
Original von Gerard
Frueher war das Autor'ship' nicht wichtig. Es ist dabei auch noch sehr ueblich und normal das Mythen sich aendern im Laufe der Zeit.
Volle Zustimmung. Und dann kommt noch hinzu, daß früher solche Mythen (um bei dem Begriff zu bleiben) anders erzählt bzw. aufgeschrieben wurden, als das unseren heutigen wissenschaftlichen „Standards“ entspricht. Was die Sache noch schwieriger macht.


Je mehr ich mich mit Mythen befasse (leider habe ich viel zu wenig Zeit dazu), um so mehr komme ich zu der Erkenntnis, daß eigentlich niemand (bzw. keine Gruppe) ein Monopol auf einen grundlegenden Mythos hat. Es tauchen rund um den Globus immer wieder die gleichen Motive auf, jeweils durch die umgebende Kultur verändert. )Als die in dieser Hinsicht tolerantesten begegnen mir übrigens immer wieder die Native Americans.)


Ansonsten wird es wirklich Zeit, daß ich endlich das Buch über Inanna lese, das ich schon lange vorhabe zu lesen. Danke für das dauernde Erinnern! :-)
Ich 'warne' dich: auch davon gibts viele unterschiedliche Versionen. :) Das machts dann auch aber umso schoener.

Und dann koennen wie auch feststelllen dat 'good old' Carl Gustuv Jung mit seine Archetypen es noch gar nicht so schlecht gesehen hat.
Sisyphus Laughs

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Post by SiCollier »

Gerard wrote: Ich 'warne' dich: auch davon gibts viele unterschiedliche Versionen. :) Das machts dann auch aber umso schoener.
Das stand zu befürchten. ;-)

Ich werde erst mal mit der Nacherzählung im Buch "Inanna - Gilgamesch - Isis - Rhea. Die großen Göttinnenmythen Sumers, Ägyptens und Griechenlands" von Heide Göttner-Abendroth beginnen, ehe ich mich an den dicken Wälzer herantraue, der auch in meinem Bücherregal steht.
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Gerard
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Post by Gerard »

SiCollier wrote:
Gerard wrote: Ich 'warne' dich: auch davon gibts viele unterschiedliche Versionen. :) Das machts dann auch aber umso schoener.
Das stand zu befürchten. ;-)

Ich werde erst mal mit der Nacherzählung im Buch "Inanna - Gilgamesch - Isis - Rhea. Die großen Göttinnenmythen Sumers, Ägyptens und Griechenlands" von Heide Göttner-Abendroth beginnen, ehe ich mich an den dicken Wälzer herantraue, der auch in meinem Bücherregal steht.
Ich bin mir nicht sicher ob Gilgamesch eine Frau war :wink: aber die Sumer sind schon sehr faszinierend. Gerade weil die unsere Kultur bis auf heute so grundsaetzlich gepraegt haben. Vor allem die reise von Gilgamesch finde ich schoen und reich. Ich weiss nicht ob du mit der Bibel bekannt bist aber wenn du das Buch 'Prediger' kennst und magst, wirds dir umhauen vor Begeisterung und Gemeinschaftlichkeiten. Und es befasst ein Thema das sehr sehr Universell ist, namlich die Suche nach Unsterblichkeit und der Sinn des Lebens.

Habe mich auch eine lange zeit mit Goettinen beschaeftigt aber habe damit aufgehoert. Habe immer mehr das Gefuehl bekommen das Frauen die damit beschaeftigt sind (denn meist ist das so), das nicht tun weil sie sich wirklich fuer die Geschichten und Mythen interessieren, aber mehr weil sich irgendwie einea art Minderwertigkeitsgefuehl kompensieren wollen und dann ist dat Thema 'die Frau als Goettin' natuerlijk etwas was ganz schoenes. Damit bekomme die Idee das die Mythologie misbraucht wird.
Sisyphus Laughs

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Post by SiCollier »

Nun ja, Gilgamesch kommt in dem Buch mit vor, weil auch Inanna eine Rolle spielt. Es sind natürlich nur Nacherzählungen, und die aus einer bestimmten Perspektive heraus. Dennoch: es war das erste Mal, daß ich über Gilgamesch gelesen habe, und es wird sicherlich nicht dabei bleiben. Vor allem, da mir manches, ähm, sehr bekannt und vertraut vorkam. Allerdings sind der Inanna- und der Gilgamesch-Mythos mit Sicherheit bedeutend älter als die Texte der Bibel.

Das Buch „Prediger“ werde ich mir auf Grund Deiner Empfehlung in der nächsten Zeit mal vornehmen. Danke. :-)


Das Buch von Frau Göttner-Abendroth ist in der Tat aus einer ganz bestimmten Sicht und durch eine einseitige Brille geschrieben. Deshalb habe ich mir quasi die „Gegenmeinung“ dazu besorgt und werde von Uwe Wesel „Der Mythos vom Matriarchat“ als eines der nächsten Sachbücher nachschieben.

Über Inanna gibt es auf Deutsch nicht viel; ich habe jedoch ein englisches Buch gefunden, das ich mir in absehbarer Zeit leisten möchte. Bei Gilgamesch sieht es da schon bedeutend besser aus; sowohl was den Text als auch was Sekundärliteratur betrifft.
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